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Manuelle Therapien

Einführung

"Manuelle Therapie" heißt wörtlich "Heilbehandlung mit den Händen" (von lat. 'manus'='die Hand'). Dies verbindet die Manuelle Therapie mit den meisten anderen Behandlungstechniken der Physiotherapie. Sie unterscheidet sich jedoch in den theoretischen Grundlagen und Begründungen von anderen Therapieformen.

Mit speziellen Untersuchungstechniken werden zunächst Bewegungsstörungen im Bereich von Extremitäten- oder Wirbelsäulengelenken lokalisiert und analysiert. Auf Grundlage dieses Befundes werden therapeutische Handgriffe zur Mobilisation durchgeführt. Sie dienen sowohl der Schmerzlinderung als auch der Mobilisation von eingeschränkten Bewegungen. Neben rein lokalen Störungen werden auch Verbindungen und Zusammenhänge zu anderen Gelenken oder zum Nervensystem berücksichtigt.

Geschichte

Die Behandlung der Wirbelsäule durch manuelle Techniken ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Früheste Nachweise existieren bereits von Hippokrates aus dem antiken Griechenland. Aber auch besonders aus dem asiatischen Raum sind frühe Zeugnisse von "Einrenk"-Techniken bekannt. Diese Behandlungen wurden i.d.R. von Laien durchgeführt und von Generation zu Generation weitervermittelt. Die Einbindung der Manuellen Therapien in die moderne Medizin geschah im Gegensatz zu anderen Fachrichtungen (wie Chirurgie und Pharmakologie) erst vergleichsweise spät.

Um die aktuell bestehenden unterschiedlichen Schulen der Manuellen Therapien zu verstehen, müssen wir ihre geschichtliche Entwicklung kurz rekapitulieren. Ende des 19. Jahrhunderts wurden in den USA durch Daniel David Palmer und Andrew Taylor Still fast gleichzeitig mit den Schulen für Chiropraktik und Osteopathie zwei Vorläufer der modernen Manuellen Medizin gegründet. Der Hauptunterschied bestand darin, dass die Chiropraktik sich mehr mit dem direkten Mobilisieren und Manipulieren von Gelenken befasste und die Osteopathie mehr mit dem indirekten Mobilisieren über die Muskeln und Bänder. Inzwischen haben beide Richtungen jedoch von einander gelernt und ihre Techniken stark modifiziert, so dass Chiropraktiker heute auch Weichteiltechniken und Osteopathen Impulstechniken beherrschen.

    Anmerkung zur Osteopathie:
    Die Behandlung der Wirbelsäule ist dem Bereich der parietalen Osteopathie zuzuordnen. Als Behandlungstechniken stehen Mobilisations- und Manipulationstechniken, Muskel-Energie-Techniken (Muscle Energy), Faszienentspannungstechniken und Positionierungstechniken (Strain/Counterstrain) zur Verfügung.
    Anders als die verwandten Chiropraktik und Manuelle Therapie berücksichtigt die Osteopathie aber auch die Beweglichkeit innerer Organe (Viszerale Osteopathie) und der Schädelknochen (Cranio-Sacrale Osteopathie) bei der Befundung und Behandlung.
Diese Lehren erreichten auch Europa und wurden hier aufgegriffen. Ärzte und Physiotherapeuten, besonders in England (u.a. J. Cyriax), Skandinavien, Australien und Deutschland entwickelten die amerikanischen Techniken weiter und schufen damit die Manuelle Therapie jüngeren Datums.

Manuelle Therapie, parietale Osteopathie und Chiropraktik unterscheiden sich also durch unterschiedliche theoretische Grundlagen, sind jedoch durch gemeinsame Geschichte und verwandte Behandlungstechniken eng verbunden.

Anatomie

Manuelle Therapien befassen sich mit den Ursachen von Funktionsstörungen der Gelenke und deren therapeutischer Beeinflußbarkeit. Ein Gelenk besteht nicht nur aus zwei knöchernen Gelenkpartnern, die von einer Knorpelschicht bedeckt sind. Zusätzlich stabilisieren Gelenkkapsel und Bänder das Gelenk. Durch Muskulatur werden die Gelenkpartner bewegt und ebenfalls stabilisiert. Nerven verbinden diese Strukturen mit Rückenmark und Gehirn und steuern die Funktion des Gelenkes. Über Blutgefäße werden die Gelenkstrukturen mit den notwendigen Nährstoffen versorgt. Bei einigen Gelenken können zusätzlich Bandscheiben, Menisken oder Schleimbeutel zur Optimierung der Gelenkmechanik vorhanden sein.

Die Wirbelsäule ist in diesem Sinne nichts anderes als eine Kette von kleinen Gelenken, welche als "Bewegungssegment" bezeichnet werden. Zu einem solchen Segment gehören also nicht nur zwei benachbarte Wirbel, sondern auch die zwischen den Wirbeln liegende Bandscheibe, die Wirbelgelenke, der Kapsel- und Bandapparat, Muskulatur sowie die sie versorgenden Nerven und Gefäße.

Untersuchung

Lokale Untersuchung

Durch genaue Befragung und Untersuchung des Patienten wird diejenige Gelenkstruktur bestimmt, die für die Beschwerden des Patienten verantwortlich ist und ggf. behandelt werden soll. So kann ein verkürzter oder verspannter Muskel, ein überdehntes Band, ein verschlissener Knorpel, ein komprimierter Nerv, eine verschobene oder gar geplatzte Bandscheibe Ursache von Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen sein. Und jede dieser möglichen Beschwerdeursachen erfordert eine unterschiedliche, der Struktur angepasste Therapie. So ist eine Muskeldehnung nur sinnvoll, wenn ein verkürzter Muskel für die Beschwerden des Patienten verantwortlich ist. Bei einer Bandscheibenverschiebung hingegen wäre eine Muskeldehnung sinnlos.

Das Prinzip der Untersuchung ist relativ einfach. Jedes Gelenk kann in sechs Richtungen bewegt werden: in Blickrichtung nach vorne oder hinten, seitlich zum Körper nach links oder rechts, Drehbewegung nach innen oder außen. Diese Bewegungen können ohne aktive Mitarbeit des Patienten passiv durch den Therapeuten ausgeführt werden oder aber isometrisch durch den Patienten als Muskelanspannungen gegen den Widerstand des Therapeuten. Somit haben wir für jedes Gelenk 12 Basis-Tests zur Verfügung (die bei Bedarf durch eine Vielzahl von Spezial-Tests ergänzt werden müssen). Bei den isometrischen Tests findet keine Bewegung im Gelenk statt, lediglich Muskulatur wird angespannt. Bei den passiven Test hingegen ist die Muskulatur untätig, es werden lediglich nicht-muskuläre Gelenkstrukturen getestet. Dadurch können wir schon einmal zwischen muskulären und nicht-muskulären Störungen unterscheiden. Wenn nämlich durch keine Muskelanspannung der Schmerz des Patienten provozierbar ist, liegt auch kein muskuläres Problem vor. Rufen einige Anspannungen jedoch Schmerz hervor kann man differenzieren, weil die Bewegungen von unterschiedlichen Muskeln ausgeführt werden. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.

Anspannungnach vornenach hintennach linksnach rechtsDrehung nach innenDrehung nach außen
beteiligte MuskelnA und BB und CA und DBA und CC und D
schmerzhaft?janeinjaneinjanein
In diesem Fall handelt es sich also um ein Problem mit dem Muskel A, da er der einzige ist, der an allen schmerzhaften Anspannungen beteiligt ist.

Wenn auch für die nicht-muskulären Gelenkstrukturen etliche weitere Tests hinzukommen, so ist die grundsätzliche Vorgehensweise doch die gleiche.

Schmerz wird häufig an anderer Stelle empfunden als am auslösenden Ort. Wenn zwei Bereiche unseres Körpers von gleichen Teilen des Nervensystems versorgt werden, kann es zu einer Fehleinschätzung unseres Gehirns kommen. So kann ein Schulterschmerz aus den Schlüsselbein-Gelenken, aus der Brust- oder Halswirbelsäule, einem inneren Organ oder aber tatsächlich aus dem eigentlichen Schultergelenk entstehen. Für die Untersuchung ist also nicht nur wichtig, wo es dem Patienten weh tut, sondern auch wobei die Beschwerden auftreten. Wenn ein Patient Schmerzen im Schulterbereich angibt, bei isolierten Bewegungen des Schultergelenks jedoch keine Beschwerden verspürt, durch Bewegungen der Halswirbelsäule jedoch seine Beschwerden ausgelöst werden können, liegt der Schluss nahe, dass nicht im Schultergelenk, sondern in der Halswirbelsäule eine Störung vorliegt.

Blockierungsketten

Zusätzlich zu dieser rein lokalen Betrachtungsweise muss das Gelenk außerdem in seiner Verbindung zu anderen Strukturen des Körpers untersucht werden. Denn eventuell ist ein Muskel nur verspannt als Folge einer Fehlstatik (z.B. durch einen Beinlängenunterschied oder einen Beckenschiefstand) oder durch Störung eines anderen Gelenkes (z.B. können Kniebeschwerden Folge einer Störung in der Lendenwirbelsäule sein, weil die Muskulatur des Kniegelenkes von Nerven versorgt wird, die von dort entspringen).

Die folgende Abbildung zeigt einige mögliche Blockierungsketten am Beispiel einer Schleimbeutelentzündung der Schulter:



Ein verspannter Muskel kann also die Funktion eines Gelenkes negativ beeinflussen. Aber ebenso kann ein verschlissenes Gelenk zu Muskelverspannungen führen, die wiederum Auswirkungen auf die Funktion der Wirbelsäule haben.

Übertragener Schmerz

Von weiterer Bedeutung ist zwischen lokalem und übertragenem Schmerz zu differenzieren. Nicht immer liegt die Schmerzursache auch dort, wo der Schmerz empfunden wird. So können Schmerzen aus inneren Organen vom Gehirn bestimmten Hautbezirken oder Muskeln zugeordnet werden, die von Nerven versorgt werden, die zum selben Segment der Wirbelsäule gehören wie das betroffene Organ - eigentlich eine Fehleinschätzung des Gehirnes, das die Schmerzinformation aufgrund mangelnder Erfahrung nicht richtig zuordnen kann. Diese Abschnitte an der Körperoberfläche werden Head'sche Zonen genannt (nach dem Neurologen Sir Henry Head).



Störungen der Gelenkfunktion

Wir unterscheiden zwischen strukturellen und funktionellen Störungen der Gelenkfunktion.

Strukturelle Störungen entziehen sich weitgehend der Beeinflussbarkeit durch Manuelle Therapie oder sind gar kontraindiziert und oftmals nur medikamentös oder operativ zu behandeln. Zu den strukturellen Störungen gehören:
  • Angeborene oder erworbene Störungen oder Missbildungen (Spina bifida, Block- oder Keilwirbel, Skoliosen)
  • Generalisierte Skeletterkrankungen (Osteoporose, Osteomalazie)
  • Tumoren (Primärtumoren oder Metastasen)
  • Entzündliche Erkrankungen (Rheumatische Erkrankungen, Wirbelentzündung)
  • Unfallfolgen (Schleudertrauma, Kapsel-Band-Verletzungen, Wirbelbrüche)
Zu den durch Manuelle Therapie bedingt beeinflussbaren strukturellen Störungen gehören:
  • Störungen durch Bandscheibenschäden
  • Störungen durch Gelenkverschleiß
Domäne der Manuellen Therapie sind jedoch Gelenkblockierungen, also funktionell und reversibel gestörte Gelenkfunktionen im Sinne von Bewegungseinschränkungen.

Behandlung

Für die Behandlung einer Gelenkblockierung stehen uns folgende Techniken zur Verfügung:

Muskel- und Weichteiltechniken

Durch Quer- oder Längsdehnung oder Druck auf Muskeln oder Sehnen werden die Spannung von Muskulatur und bindegewebigen Strukturen beeinflusst und Durchblutung und Stoffwechsel angeregt. Zusätzlich können gezielte Muskelan- und -entspannungen verwendet werden.

Mobilisationstechniken

Mobilisationstechniken sind vom Therapeuten ausgeführte passive Bewegungen eines Gelenkes. Durch wiederholtes Bewegen, Zug (Traktion) oder Gleitbewegungen (Translationen) mit geringer Geschwindigkeit und zunehmendem Bewegungsausmaß wird die Beweglichkeit des Gelenkes erhöht.

Manipulationstechniken ("Einrenken")

Eine Manipulationstechnik hingegen zeichnet sich durch einen schnellen, kurzen Impuls mit geringem Weg und geringer Kraft (HVLA-Technik, "high velocity, low amplitude") aus.

    Anmerkung zur Manipulation:
    Manipulationsbehandlungen an der Wirbelsäule sind in Deutschland entsprechend qualifizierten Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten, da sie tatbestandsmäßig als Eingriff in die körperliche Integrität gelten. In anderen europäischen und außereuropäischen Ländern gilt das nicht.


Bildnachweis
Alle Abbildungen auf dieser Seite: Jörg Preuße

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